Benefizlauf in Herrnried: Familie kämpft für Tochter mit Rett-Syndrom

Artikel aus der MZ vom 20.06.2025. Text und Bilder von Markus Rath.

Spaß auf der Schaukel: Papa Robert, Bruder Hannes, Mama Pia und Ella genießen den sonnigen Abend im Garten.

Spaß auf der Schaukel: Papa Robert, Bruder Hannes, Mama Pia und Ella genießen den sonnigen Abend im Garten.

Sie kann nicht sprechen, nicht laufen – doch Ella liebt das Leben. Die fast Vierjährige aus Parsberg leidet am seltenen Rett-Syndrom, das Mädchen und ihre Familie täglich vor große Herausforderungen stellt. Ihre Eltern kämpfen mit einem Benefizlauf in Herrnried (Parsberg, Landkreis Neumarkt) um Spenden für die Wissenschaft – und um Hoffnung auf eine bahnbrechende Therapie.

Ella reißt die Augen auf. Über ihr Gesicht huscht ein Lächeln, als die Schaukel fliegt. Ihre Händchen umklammern das Seil, ihre Augen funkeln. Neben Ella schwingt Brüderchen Hannes durch die Luft. Mama und Papa schieben an. Das Bild signalisiert Normalität, die es nicht gibt. Ella ist fast vier Jahre alt – und schwer krank.

Sie kann nicht laufen, ihre Hände nicht richtig benutzen, nicht sagen, was sie fühlt. Das Mädchen leidet am Rett-Syndrom. Der Gendefekt ist bisher nicht heilbar, doch Wissenschaftler arbeiten an einer Therapie. Für Betroffene ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Ellas Eltern wollen die Forscher unterstützen, indem sie bei einem Benefizlauf Spenden sammeln.

Ellas Geschichte beginnt mit einem Zufall. Mama Pia, geboren und aufgewachsen im niederbayerischen Frontenhausen, lernt Ellas späteren Papa Robert Harteis aus dem Parsberger Ortsteil Herrnried 2020 in Regensburg kennen. Die beiden werden ein Paar, mit Kindern rechnen beide nicht. Pia hat von ihrer Frauenärztin die Botschaft bekommen, dass sie auf normalem Weg nicht Mutter werden kann. Doch die Ärztin irrt, Pia wird schwanger, sie und Robert heiraten.

Ein Kind, das anders ist: Mutation am X-Chromosom

Schon kurz nach der Geburt – und das ist unüblich für Kinder mit Rett-Syndrom – stimmt etwas nicht. Ella atmet nicht richtig. Sie muss auf die Intensivstation. Die Ärzte vermuten einen Schlaganfall bei der Geburt, gehen aber davon aus, dass sich das Kind mit der Zeit erholen wird. „Sie hat sehr viel geschlafen, ist auch nachts nicht aufgewacht. Wir dachten erst, wir haben Glück und ein Kind, das selten schreit und nachts ruhig schläft“, erzählt Mama Pia.

Trotzdem werden die Eltern stutzig. Jüngere Kinder entwickeln sich viel schneller, überholen das kleine Mädchen. Es folgen weitere Untersuchungen. Die erste Einschätzung im Kinderzentrum Regensburg St. Martin trifft Pia und Robert hart: „Sie haben uns gesagt, dass Ella auf jeden Fall behindert ist. Das war schon krass.“ Pia ist zu diesem Zeitpunkt mit Kind Nummer zwei, Hannes, schwanger. „Ella sollte kein Einzelkind bleiben“, sagt sie.

Auch Opa Gerhard und Oma Marianne kümmern sich um Ella.

Auch Opa Gerhard und Oma Marianne kümmern sich um Ella.

Eine eindeutige Diagnose bekommen die Eltern aber nicht. Nur die Theorie vom Schlaganfall bei der Geburt wird verworfen. Es folgt eine genetische Untersuchung, die ein ganzes Jahr dauert. Kurz vor Ellas drittem Geburtstag steht fest: Sie leidet am Rett-Syndrom – einer neurologischen Entwicklungsstörung, die fast ausschließlich bei Mädchen auftritt.

Diese seltene Erkrankung wird in der Regel durch Mutationen in einem bestimmten Gen verursacht, das entscheidend für die normale Entwicklung von Nervenzellen und deren Funktion im Gehirn ist. Betroffene Kinder – und das war bei Ella anders – entwickeln sich in den ersten sechs bis 18 Lebensmonaten oft ganz normal. Danach aber verlieren sie bereits entwickelte Fähigkeiten wieder: Sie hören auf zu sprechen und können die Hände nicht mehr gezielt bewegen. Selbst Ella war schon weiter, hatte „Mama“ und „Papa“ gesagt, mit der Hand gewunken oder zur Verneinung den Kopf geschüttelt. Jetzt bringt sie kein Wort mehr über ihre Lippen, die Gesten sind verschwunden. „Die Muskeln, die Organe, eigentlich der ganze Körper ist bei Ella gesund“, erklärt Vater Robert. „Sie ist wie ein Auto ohne Sprit.“

Hoffnung auf Forschung: Kann Gentherapie Ella heilen?

Gleichzeitig offenbart das Kind einen unbändigen Lebenswillen. Sie mag kuscheln, Brotzeit machen und im Garten schaukeln. Nur müssen die Eltern erraten, welche Beschäftigung gerade die richtige ist. Heute Abend ist es die Schaukel. Ella lacht. Ein kleiner Moment Normalität in einer schwierigen Lage.

Zudem gibt es Hoffnung. „Vor vier Wochen haben Forscher erstmals einen Säugling mit einem anderen Gendefekt mit einer speziellen Therapie geheilt. Der Fall ging durch alle Medien“, erzählt Robert, der sich an die Erfolge der Forscher klammert. Denn Ellas Diagnose empfindet er als einen harten Schlag. „Ich hatte im Vorfeld schon viel über mögliche Erkrankungen gelesen. Deshalb war das für mich im ersten Moment wie ein Todesurteil“, bekennt er. Er mache sich immer wieder Gedanken darüber, dass Ella das ganze Leben auf die Hilfe der Eltern angewiesen sein wird.

Ella liebt es auf der Picknickdecke im Garten eine Brotzeit zu essen.

Ella liebt es auf der Picknickdecke im Garten eine Brotzeit zu essen.

Die Hoffnung auf eine Therapie hilft Robert gegen die dunklen Gedanken. Schließlich sei es Wissenschaftlern gelungen, Ratten vom Rett-Syndrom zu heilen. „Ich will dafür sorgen, dass die Forschung vorankommt“, sagt er und erfindet den geplanten Benefizlauf.

Mama Pia agiert pragmatischer. Sie schützt sich selbst, denkt nicht zu weit nach vorn. „Natürlich wäre ich traurig, wenn es für Ella keine Therapie gibt. Aber ich befasse mich nicht so intensiv damit. Das würde mich nur kaputt machen. Ich lasse das auf mich zukommen. Natürlich wünsche ich mir auch, dass Ella geholfen wird. Nur glaube ich nicht daran, dass es schnell gehen wird.“

Ellas Mama arbeitet als Intensivkrankenschwester in der Uniklinik in Regensburg. „Ich sehe dort Menschen, die entsetzliche Schmerzen erleiden, und bin einfach froh, dass Ella von solch einer Erkrankung verschont geblieben ist.“ Für Pia zählt nur eins: „Wir haben unsere Ella lieb und würden sie um nichts auf der Welt hergeben.“

Benefizlauf in Herrnried: Run for Rett

  • Benefizlauf: Am 9. August 2025 heißt es in Herrnried: Laufen für den guten Zweck – für Kinder mit Rett-Syndrom und ihre Familien. Egal ob groß oder klein, schnell oder gemütlich: Alle Einnahmen gehen an den Rett Syndrome Research Trust.
  • Schirmherren: Parsbergs Bürgermeister Josef Bauer und Läufer Marco Benz fungieren als Schirmherren und werden vor Ort sein.
  • Zeitplan: 13.30 Uhr Kinderlauf (bis zehn Jahre) über 500 Meter. Zwischen 14 und 16 Uhr Benefizlauf. Start am Feuerwehrhaus.
  • Spendenkonto: Zukunft durch medizinische Forschung e.V. IBAN: DE52 7605 2080 0042 8860 28.

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